Sonderpreis für ein herausragendes Programm mit einer besonderen gesellschaftlichen Relevanz, dotiert mit 2.000 €

Muriel Razavi mit ihrem Programm „Ancient Eve is once again offering apples“

Muriel Razavi (*1992 in Freiburg) ist eine viel gefragte Musikerin im Bereich der Kammermusik, Barockmusik und der Neuen Musik und konzertiert weltweit in führenden Ensembles und Orchestern. Seit der Saison 20/21 hat sie die Stelle als Stellvertretende Solo-Bratschistin im MDR- Sinfonieorchester inne und promoviert derzeit an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg unter der künstlerischen Betreuung von Daniel Barenboim, wo sie zum Re-Orientalismus in der Musik forscht. Seit dem WS 2021/22 übernimmt sie ehrenamtlich eine Mentoringschaft im mentoringArts Programm der Hochschule für Musik und Theater Leipzig für die berufliche Vorbereitung Studierender im Musikbetrieb. Neben ihrem Musikstudium hat Muriel einen Bachelor Abschluss in „Iranistik“ der FU Berlin und einen Master Abschluss in „Religion und Kultur“ der HU Berlin.

Mit ihrem Musikprogramm Ancient eve is once again offering apples möchte sie ein absolut neues Hörerlebnis kreieren, indem sie ein interkulturelles Konzertformat vorstellt, das über die bisherigen Erfahrungen okzidental geprägter Ohren hinausgeht und einen Diskurs zur Ausweitung der Bildungsarbeit für junge Erwachsene anstößt. Die größte Inspiration für dieses Programm ist der Wunsch nach musikkultureller Abwechslung und mehr Wagnis in der Musikbranche. Das Programm ist feministisch gefärbt und besteht ausschließlich aus Werken von Komponistinnen der Iranian Female Composers Association (IFCA), deren künstlerische Arbeiten eine Hymne an die Kunst- und Meinungsfreiheit sind. Ästhetische Barrieren sollen aufgelöst werden und damit (und dadurch!) die Existenz von Grenzen in der Musik negieren. Literatur, Sprache, Klang, Rhythmik und Metrum sind in einem ständigen Austausch und – zum Zwecke einer gehaltvollen Aussage und Sinnhaftigkeit – intertextuell verwoben. Das Programm ist dabei thematisch vielfältig: Es handelt von offen ausgesprochener sexueller Begierde, Kritik an der Islamischen Republik Iran und dem Verschleierungsgebot, aber auch von Tod und Vergänglichkeit. Mit dieser Auswahl möchte Muriel Razavi einen Beitrag zur Bereicherung der kulturellen und gesellschaftlichen Vielfalt in einer männlich dominierten und okzidental geprägten europäischen Klassik- und Komponierendenszene leisten.

Dotiert mit 4.000 €

Die Oneironauten für ihren Beitrag „Die Augen weit geschlossen“

Die Oneironauten [die Traumreisenden] sind vier Musiker*innen, die alle an der HfM Nürnberg studieren. Kennen gelernt haben sich die Flötistin Luca Höhmann, der Pianist und Dirigent Otto Itgenshorst und die Geigerin Katharina Jungwirt in einem Seminar von Prof. Anselm Dalferth (Konzert und Performance). Daraus entstand ihr erstes gemeinsames Projekt, ein performatives open air Konzert zum Thema „Wald“ in der HfM Nürnberg.  Als vierte im Bunde stieß noch die Oboistin Anna Eberle zu dem jungen Ensemble dazu.

Gemeinsam begeben sich Die Oneironauten nun mit „Die Augen weit geschlossen“ auf eigene Pfade. Sie träumen davon, das klassische Konzert aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken und gemeinsam mit dem Publikum neue musikalische Traumlandschaften zu entdecken. Dabei bewegen sich alle vier Instrumentalist*innen mit schlafwandlerischer Sicherheit in verschiedenen Epochen und Stilistiken und haben keine Scheu davor, diese zu verbinden und so ganz neue Seiten der Musik zum Vorschein zu bringen. Performative Elemente haben in ihren Konzepten genauso Platz, wie der Umgang mit Sprache und Videos.

DIE ONEIRONAUTEN laden ihr Publikum ein, den Prozess des Schlafens mit wachen Augen zu erleben. In dem Konzert „Die Augen weit geschlossen“ wird spürbar, wie es ist, gleichzeitig Beobachter*in des Schlafs und seiner zyklischen Phasen zu sein als auch einzutauchen in seine emotionalen Tiefen.

Die Augen weit geschlossen
Die Nacht bricht herein, die Geschehnisse des Tages beginnen in die Ferne zu rücken. Es ist Zeit die Augen zu schließen und sich in die wohligen Tiefen des Schlafs sinken zu lassen…
Doch heute ist alles anders: Denn was normalerweise fast unbemerkt an uns vorbeizieht, während wir scheinbar friedlich schlummern, wird in diesem Konzert aus dem Unterbewussten hervorgeholt. Eine intensive Reise durch unterschiedliche Energien, Zustände und beeindruckende Hochleistungen des Körpers beginnt. Hellwach vollzieht sich dieser Schlaf und verwundert fragt man sich: Was ist real? Und was nur ein Traum?

Preis für Nachhaltigkeit der Formatentwicklung, dotiert mit 4.000 €

eine Art ensemble mit ihrem Beitrag „Die Dunkelheit weiß so viel“

Eine Art Ensemble hat sich im Laufe des Jahres 2021 an der Musikhochschule Freiburg formiert und besteht für dieses Konzept aus sechs Musiker*innen, die Lust am Experimentieren haben. Mit den Instrumenten Klavier/E-Piano, Violine, Viola, Kontrabass, (E-)Gitarre und Jazz-Gesang widmet sich das Ensemble der freien Improvisation, der Erkundung ungewohnter Klänge und der Entwicklung innovativer Konzertformate. In der Improvisation steckt für uns die Freiheit, im „Jetzt“ zu musizieren, zu hören, zu (re)agieren, die Stimmungen des Momentes aufzufangen und in Klang zu verwandeln. Eine Art Ensemble möchte Konzertformate entwickeln, in denen Klang, Raum und das visuelle Erlebnis sich gegenseitig bereichern. Dabei war es die Symbiose aus Musik und Kunst, die im Wintersemester 2020/21 den Startpunkt der gemeinsamen Arbeit darstellte.

Eine Art Ensemble lädt das Publikum ein, sich des Schauens zu entledigen und in eine rein auditive Welt einzutauchen, in der Geräusche und Musik ineinander überfließen und die ZuhörerInnen von allen Seiten einweben. Die Spielenden erkunden dabei selbst den Raum und dessen klangliche Möglichkeiten über Improvisationen, die die Facetten der Dunkelheit zum Klingen bringen: Schönheit und Freiheit, aber auch Ungewissheit und Angst. Auf diese Weise entsteht eine kontrastreiche Klanglandschaft, die die Gelegenheit bietet, einen Raum auf neue Weise zu entdecken und sich der eigenen Vorstellungskraft hinzugeben.

Die Dunkelheit weiß so viel – so singt die Mutter im isländischen Wiegenlied Sofðu Unga Ástin Min ihr Kind in den Schlaf. Wir wollen gemeinsam erkunden, was die Dunkelheit weiß, was es heißt, in sie einzutauchen und loszulassen. Dafür besinnen wir uns auf das, was noch vor jeder visuellen Inszenierung ein Konzert ausmacht: das Hören selbst.

 

Preis für Außergewöhnlichkeit, Provokation und Innovation, dotiert mit 4.000 €

the HEADS mit ihrem Beitrag Katabasis

„The HEADS“ gründeten sich 2021 mit den Mitgliedern Melissa Wedekind, Anna Lodone und Hans Fröhlich. Ihre künstlerische Arbeit ist geprägt durch die Verbindung der Alten Musik mit performativen Elementen und einer Infragestellung von klassischen Aufführungsformaten. Sie verknüpfen dabei den Klang des historischen Instrumentariums und Gesangs mit elektronischen Elementen und Soundinstallationen.

Der Titel ihres Programms „Katabasis“ entstammt dem Altgriechischen und bedeutet „hinabgehen, absteigen“ und findet Verwendung für die Beschäftigung mit dem Tod oder den Gang durch die Unterwelt. In zahlreichen Erzählungen bildet die Katabasis ein zentrales Element. Die Protagonist*innen sind gezwungen, sich ihren Dämonen zu stellen oder sie als Teil ihrer selbst zu akzeptieren. Das Ensemble stellt sich die Frage, in welcher Weise wir uns selbst in einer eigenen Unterwelt befinden, welchen Dämonen wir begegnen müssen und welche Wege der Befreiung sich finden lassen.
Stehen wir heutzutage unter ständigem Druck uns darzustellen, zu konsumieren und unseren Wert zu beweisen? Welchen Raum gibt es für Depression, Angst und Erschöpfung und tragen sie einen Wert in sich, der ihnen abgesprochen wird?